22 September 2012

Sei nicht erbärmlich





"Es ist nichts erbärmlicher in der Welt, als ein unentschlossener Mensch."
Goethe





Die Jahreszeit und die Temperaturen bewegen sich derzeit in einen Bereich, in dem das Barfußlaufen in der Wahrnehmung des Mediokariats von einer nur exotischen zu einer komplett durchgeknallten Tätigkeit wird [*1]. Je größer die zeitliche Distanz zum Hochsommer, desto größer scheint der durch den Schuhwerkverzicht bedingte Normenverstoß und desto lauter die Empörungsschreie des inneren Spießers, man könne doch nicht. Doch, man kann.

Und Goethe, das Genie, der Stürmer, der Dränger und Klassiker, zeigt uns, wie: Mit Entschlossenheit. Der "Dümmste anzunehmende Fehler" ist das Herumeiern. Schuhe an, Schuhe aus, Schuhe an, unsicher-sichernde Blicke, verlegene Gesten ... An anderer Stelle habe ich schon mal gesagt: Barfußlaufen wird von der absolut-überwältigenden Mehrheit der Menschheit bejaht, die BarfußläuferInnen selbst stellen das Hauptproblem dar, wenn sie auf allen Kanälen nonverbaler Kommunikation signalisieren, dass sie selbst glauben, gerade was ganz und gar Unanständiges zu tun. [*2]


Ich will gewiss nicht jedem idiotischen Lititi das Wort reden. Es gibt Marotten, die sind wirklich unter aller Sau, da hilft es auch nix, im Gegenteil, wenn man es noch so konsequent, selbstbewusst und entschlossen durchzieht. Viele, nicht aber alle Sozialnormen sind unvernünftig.

Aber wenn man eine Sache mehrfach von vorn bis hinten durchdacht, durchfühlt und geprüft hat und zu einem Ergebnis gekommen ist, dann, bitteschön, ziehe man diese Sache anschließend auch konsequent durch. Habe den Mut, Dich Deines Verstandes zu bedienen, klar. Aber habe auch den Mut, Dein Verhalten nach den Ergebnissen, die Dein Verstand liefert, nach der Vernunft also, auszurichten.
 

Auch keine normalen Klamotten für einen angehenden Geheimrat .... 
... und genau das trug zu seiner Berühmtheit bei.
(via wiki commons)




[*1] Ich gehöre nun nicht zu den Hardcore-barfuß-im-Schnee-Barfüßern, Barfußlaufen ist auch kein Dogma, sondern eine Frage des Wohlfühlens und der Vernunft. Ab 5 °C geht's dauerhaft, darunter beginnt auch bald das (zunächst allerdings minimale) Risiko von Erfrierungen. Angenehm ist's ab 10 °C. Und, oh Wunder, die spannendste, erlebnisreichste  Zeit für die nackten Füße sind Frühling und Herbst, wenn die Böden die größten Temperatur-und Feuchtigkeitsunterschiede aufweisen. Der Sommer ist natürlich auch nett, aber fast schon ein bisschen langweilig, und heißer Asphalt nervt echt.

Barfuß im Schnee, eine Erfahrung die mal ganz lustig ist 
und hinterher  richtig warme Füße macht, 
auf Dauer aber überschätzt wird.


[*2] Das trifft analog für zahlreiche Non-Vanilla-Verhaltensweisen zu. Klares, konsequentes, offenes Schwulsein wirkt niemals lächerlich, sondern, falls es überhaupt noch auffällt, höchstens spannend, mutig, intelligent, progressiv. Der halbversteckte, herumeiernde, unklare, verschämte Schwule zieht Spott auf sich.








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